- Praxislernen
- Interviews
- Interview Restaurator
„Die Staatsoper war unser bisher größtes Projekt.“
In der Werkstatt © Sebastian Rost
Vom Neuen Museum über die Staatsoper bis hin zum Berliner Schloss – Sebastian Rost hatte bei nahezu allen historischen Gebäuden Berlins seine Finger im Spiel. 1995 startete er seinen eigenen Stuckateurbetrieb in Berlin, der heute 30 MitarbeiterInnen zählt. Nebenbei engagiert er sich als Restaurator im Handwerk und arbeitet als Architekt.
Wie der Tausendsassa zu dem geworden ist, was er heute ist und was ihn bei der Arbeit antreibt, verrät er uns im Interview.
Ich selbst bin nicht nur Stuckateur, sondern auch Restaurator im Handwerk. Aus diesem Grund restaurieren, konservieren und rekonstruieren wir in unserer Firma sehr viel und arbeiten verstärkt im Denkmalbereich. Wir sind sehr traditionell eingestellt und arbeiten mit den gleichen Materialien und Technologien mit denen man schon vor 200 Jahren gearbeitet hat. Einzig im Bereich des Formbaus gab es Weiterentwicklungen. Hier arbeitet man heute mit Silikonen und Epoxidharzen.
Früher nutzte man dafür Leime.
Ich glaube, so wie bei den meisten Entscheidungen im Leben, spielte bei mir einfach der Zufall eine große Rolle. Ursprünglich wollte ich Archäologie studieren und mein zweiter Berufswunsch war Lehrer für Kunsterziehung und Geschichte. Ich wurde aber in der DDR nicht zum Abitur zugelassen. Mein Vater hat mich dann zu einer Lehre als Stuckateur bei der VEB Denkmalpflege Berlin überredet, die ich 1984 begann.
Als ich den ersten Tag in die Werkstatt kam, war ich völlig baff: Meine zukünftigen Kollegen unterhielten sich über die Geschichte Roms und ich war total geschichtsaffin. Daraufhin habe ich innerhalb von zwei Tagen mein komplettes jugendliches Weltbild umgestellt. Ich hatte außerdem ein wahnsinniges Glück mit meinem damaligen Ausbilder, Wolfgang Boer. Der war ein Naturtalent von Pädagoge. Er war später sogar noch in meinem Betrieb bis zu seiner Rente tätig. Dank meines damaligen Arbeitgebers konnten wir an allen historischen Gebäuden Berlins arbeiten. Kurz nach der Wende habe ich dann meinen Meister gemacht und anschließend dann noch den Restaurator im Handwerk.
Das ist eine Zusatzqualifikation, die man an den Meistertitel hängen kann. Die Fortbildung kann in zwölf verschiedenen Handwerksberufen gemacht werden. Sie gliedert sich in einen allgemeinen und in einen berufsspezifischen Teil. Am Ende muss man ein Restaurierungsprojekt nachweisen und eine Prüfung ablegen. Danach ist man besser qualifiziert, Gebäude zu restaurieren als andere Handwerker.
Die Auftragslage ist derzeit ausgezeichnet. Wir bekommen einerseits viele Aufträge von der öffentlichen Hand und andererseits von Privatpersonen. Hauptauftraggeber sind Leute, die Wohnungen oder Häuser kaufen, sanieren und verkaufen. Wir machen nicht nur Denkmalschutz und Rekonstruktion, sondern auch Fassadengestaltung für neue Gebäude mit verschiedenen Ornamenten, bei denen wir Jugendstilelemente oder auch mal kubistische Formen anbringen. Je nachdem, was der Auftraggeber und ich uns so vorstellen. Die Staatsoper war unser bisher größtes Projekt.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Motivation bei Frauen, die eine Lehre angefangen haben, oft größer war, als bei vielen Männern. Teilweise ist es jedoch leider so, dass nach ein paar Jahren die Kraft fehlt. Denn bei der Arbeit wird sehr viel Material bewegt. Die 25- Kilo-schweren Zementsäcke zügig zu transportieren ist auf Dauer kein Zuckerschlecken. Man muss das Ganze einfach anders organisieren, dann geht das auch.
Als erstes sollte die Bewerbung keine groben Rechtschreibfehler beinhalten. Ansonsten landen sie direkt im Papierkorb. Ich finde, die Mühe sollte man sich schon mal machen.
Zensuren spielen bei mir keine so große Rolle. Ich gehe eher nach dem persönlichen Eindruck, den ich von jemandem im Gespräch bekomme. Ist derjenige wach, interessiert und kann er sich einigermaßen artikulieren, hat er schon mal mich als Hürde übersprungen. Anschließend entscheiden die Kollegen bei einem 14-tägigen Praktikum in unserer Firma über die Eignung. Sie sind es ja auch, die zukünftig mit der- oder demjenigen zusammenarbeiten müssen. Ich wünsche mir dann später Wissbegier, Neugier und nebenbei ganz rudimentäre Dinge, wie Pünktlichkeit von Azubis.
Ich persönlich glaube, dass das Thema 3D-Druck zukünftig eine große Rolle spielen könnte. Bei Zwillingshäusern könnte man so beispielsweise leicht Stuckarbeiten des einen Hauses von Drohnen scannen, sich dies dann ausdrucken, nachformen und an das andere Haus anbringen lassen. Das wäre auf jeden Fall einfacher als auf die derzeitige Art, bei der mithilfe eines Gerüsts, das man an die Fassade stellt, die einzelnen Stuckelemente abgeformt werden. Dabei kommt es manchmal auch zu Abfärbungen. Außerdem habe ich die Hoffnung, dass der 3D-Druck das Ornament wieder etwas nach vorne bringen könnte, weil es dann massentauglicher hergestellt werden könnte.
Ja, der Beruf hat Zukunft. Ich habe auch das Gefühl, dass sich das Image des Handwerks derzeit wieder verbessert. Bei Jugendlichen und insbesondere bei den Eltern findet ein gewisses Umdenken statt, das sicher mit gesellschaftlichen Veränderungen und Sinnsuche zu tun hat. Ich selber bin auch sehr engagiert und versuche Perspektiven zu ermöglichen. Es ist wichtig, dass man Stuckornamente zukünftig nicht nur restauriert, sondern auch in Bauvorhaben unserer Zeit einbindet. Ich glaube, die Zeit des Minimalismus wird auch irgendwann wieder vorbei sein. Lacht!
- Und hier findet ihr Infos zu Restauratoren im Handwerk:
https://www.restaurator-im-handwerk.de/