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„Beim Backen kann ich einfach super abschalten.“
Die Spritztüte in der Hand: Antonia Rieth füllt Feingebäck mit Sahnecreme
Antonia Rieth ist Konditormeisterin und Fachdozentin. Sie verrät uns im Interview, wie sie zum Handwerk kam und wie Ihr Alltag als Fachdozentin an der Akademie der Konditoren-Innung Berlin aussieht.
Das stimmt. Ich arbeite erst seit September 2019 als Fachschuldozentin in der Konditoren-Innung Berlin und habe im Winter 2018 meinen Meister gemacht.
Ich bin sozusagen auf Umwegen zum Konditorenhandwerk gekommen. Denn erst habe ich mein Abi gemacht und in Holland angefangen zu studieren. Recht schnell stellte ich aber fest, dass ich eigentlich etwas ganz anderes machen will und dachte mir: „Jetzt tust du mal etwas, das dir immer schon Spaß gemacht hat.“. Und da ich mich schon immer unheimlich viel für die Themen Kochen und Backen interessiert habe habe, ist es dann die Konditorenlehre geworden.
Ich habe die Entscheidung auch bis heute kein einziges Mal bereut. Ich bin einfach kein Büromensch und brauche auch den positiven Stress, den die Arbeit manchmal mit sich bringt. Privat backe ich auch noch viel, trotzdem ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Beim Backen kann ich einfach super abschalten. Am besten funktioniert das zu Musik von Adriano Celentano. LACHT.
In der Konditoren-Innung ist ein Arbeitstag auf jeden Fall ganz anders, als in der Backstube des Betriebs in dem ich vorher zwei Jahre lang als Gesellin gearbeitet habe. Schon die Arbeitszeiten unterscheiden sich extrem. In der Innung arbeiten wir von Montag bis Freitag von 7 bis 15:30 Uhr und im alten Betrieb habe ich hingegen schon um 4 Uhr morgens angefangen und auch viel an Feiertagen und Wochenenden gearbeitet. Das ist jetzt also purer Luxus für mich.
An einem normalen Arbeitstag leite ich als Dozentin jeden Morgen bei den überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen die Azubis zu gewissen Themen an. Die Vorführungen richten sich nach dem Rahmenausbildungslehrplan. Da die verschiedenen Ausbildungsbetriebe unterschiedliche Schwerpunkte haben, schließen die Azubis bei uns ihre Lücken. Das ist für mich natürlich immer noch aufregend und ich bereite mich gut vor, damit bei der Vorführung dann alles klappt.
Es macht mir echt Spaß mit den SchülerInnen zusammen zu arbeiten. Ich muss auch sagen, dass ich dabei total viel lerne, weil einfach jeder sein Input aus den verschiedenen Bereichen mitbringt.
Und im Vergleich zum Betriebsalltag habe ich hier neben der Arbeit mit den Azubis viel mehr Zeit auch mal neue Sachen auszuprobieren und an neuen Rezepten herum zu experimentieren.
Den Einfluss merkt man schon. Es gab beispielsweise auch schon erste Gesellenprüfungen, die komplett vegan abgelegt wurden. Das finde ich ziemlich beeindruckend, denn es nicht so einfach ein Rezept so nachzuempfinden, dass es einem Produkt mit tierischen Inhaltsstoffen in nichts nachsteht. Ich finde es auf jeden Fall wichtig, dass man mit der Zeit geht.
Und außerdem muss man auch im Hinblick auf spätere Selbständigkeit ein bisschen schauen, was die Kunden sich heute wünschen und wohin sich alles entwickelt. Meiner Meinung nach ist es inzwischen notwendig geworden, für jeden eine vegane Alternative anbieten zu können.
Wir haben sehr wenige Männer in dem Beruf und es gibt immer mehr Frauen. Das war früher mal anders. Wir haben meistens immer einen Quotenmann in den Ausbildungsjahrgängen. Außerdem entscheiden sich immer mehr Abiturientinnen für den Beruf. Ich denke, dass einfach die Leidenschaft fürs Handwerk der Grund hierfür ist — Stichwort Selbstverwirklichung.
Also Nachwuchsprobleme haben wir hier in Berlin jedenfalls keine im Vergleich zu anderen Gewerken. Ich glaube, ein großes Problem in unserem Handwerk und auch insbesondere im Bäckerhandwerk sind die Theken, die es mittlerweile überall bei fast jedem Lebensmitteldiscounter gibt. Dort kriegt man frische Backwaren zu super günstigen Preisen mit denen man als HandwerkerIn einfach nicht mithalten kann. Ich beobachte, dass viele Leute in Berlin nicht dazu bereit sind, Geld für gutes Essen auszugeben und sich nicht bewusst sind, wie viel Zeit und Arbeit in einem Produkt steckt. Gute Rohstoffe, wie Mandeln, Marzipan und Kuvertüre haben halt ihre Preise. Und die Qualität schmeckt man ja auch.
Eine positive Entwicklung, die ich hingegen wirklich gut finde, ist der aktuelle Foodtrend. Manchmal nimmt das zwar extreme Formen an, aber an und für sich ist es einfach gut, dass die Menschen sich wieder vermehrt mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen.
Ich glaube Durchhaltevermögen ist ganz wichtig. Auch eine gewisse Resistenz gegenüber blöden Kommentaren ist vorteilhaft. Außerdem sollte man eine große Leidenschaft für das Handwerk mitbringen, denn die Bezahlung ist während der Ausbildung, wie in fast allen Handwerksberufen, einfach nicht gut. Natürlich spielt auch Kreativität eine große Rolle.
Man braucht jedenfalls keine überdurchschnittlich guten Schulnoten, weil man weder gut Rechnen, noch Schreiben können oder drei Fremdsprachen beherrschen muss. Dafür kann man aber auf der ganzen Welt in dem Beruf arbeiten, wenn man möchte.
Am liebsten stelle ich Sahnetorten her und mache filigrane Sachen, wie Schriftzüge mit der Spritztüte. Privat backe ich eher bodenständiger, z.B. den Rüblikuchen meiner Oma oder einen einfachen Blechkuchen.