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Tradition trifft Moderne: Handwerk 4.0
Digitale Technologien haben schon heute einen großen Einfluss auf die Arbeit von DachdeckerInnen. Befragungen des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) aus dem Jahr 2018 ergaben, dass bereits 39 % der Dachdeckerunternehmen Online-Bestellsysteme nutzen, 34 % der Betriebe digitale Kundenakten führen und 27 % der Unternehmen Apps zur Arbeitssicherheit verwenden. Weitere Umfragen des Verbandes ergaben zudem, dass der Trend zur Digitalisierung weiter zunimmt.
Wetter-Apps, Apps zur Fotodokumentation von Baustellen und Messengerdienste sind die am häufigsten verwendeten Anwendungen in Dachdeckerbetrieben. Aber auch Software-Lösungen zur Kalkulation und Abrechnung werden von der Mehrheit der Unternehmen bereits eingesetzt. Weitere digitale Lösungen gibt es im Bereich der Arbeitszeiterfassung, in der Kundenkommunikation, bei der Materialverwaltung und im Qualitätsmanagement. Die größte digitale Affinität im Dachdeckerhandwerk gebe es laut Zimmermann derzeit jedoch in Bezug auf die Drohnentechnik.
Dachaufmaße mittels Drohnentechnik
Das Interesse an der fliegenden Unterstützung nimmt zu. In zahlreichen Betrieben werden Drohnen heute schon zum Prüfen von Dächern eingesetzt. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden, wie dem Aufbau komplexer Gerüste, erfordert der Einsatz der Kleinfluggeräte wenig Aufwand. Arbeitsabläufe werden dadurch einfacher und effizienter. Dachdeckerunternehmen haben die Wahl, sich entweder selbständig mit dem Thema zu beschäftigen oder spezielle Dienstleister mit dem digitalen Dachaufmaß zu beauftragen. “Ich habe immer eine Drohne dabei, wenn ich auf eine neue Baustelle fahre. Ich verwende sie dabei als Digitalkamera und mache Aufnahmen, die mir für das Angebot als Gedankenstütze dienen. Außerdem kann ich dabei schon ein paar Maße nehmen und die Baustelle organiseren.”, so Michael Zimmermann, Vizepräsident des ZVDH.
Bildquelle: ZVDH
Der digitale Mehrwert
Klar ist: Die Digitalisierung sollte nicht um der Digitalisierung willen eingesetzt werden, sondern stets übergeordneten Zielen dienen. Sei es um Zeit-und Kostenersparnis zu erreichen, Betriebsabläufe zu vereinfachen oder die MitarbeiterInnen zu entlasten. “Letztendlich wollen wir einfach coole Dächer bauen. Das haben wir gelernt und dafür sind wir angetreten. Und jetzt können wir administrative und unliebsame Arbeiten von digitalen Tools erledigen lassen, die das weitaus besser können als wir.”, so Zimmermann. Außerdem ließen sich dadurch auch junge Menschen ansprechen, die vielleicht erst ein Studium im Auge hatten, und sich dann wegen der viele tollen digitalen Lösungen umentscheiden.
Online-Marketing als Wettbewerbsvorteil
Leichter und mit weniger Aufwand als heute konnten sich Unternehmen noch nie präsentieren. Das war vor dem Aufkommen von Websites und Social Media nur Unternehmen mit einem großen Marketingetat vorbehalten. Heute wiederum gilt: Wer jetzt nicht online präsent ist, ist überhaupt nicht präsent. Für Zimmermann steht fest: “Die Ansprache unserer Zielgruppen und unsere Außendarstellung sind zentrale Elemente der Digitalstrategie unseres Betriebes. Die entscheidende Frage lautet hier: Wie präsentieren wir uns, um unsere Lieblingskunden und ‑mitarbeiterInnen zu erreichen?”, so Zimmermann. Auch Kirsti Kutzbach, Prokuristin der Firma Viellechner Dachdeckermeister GmbH, ist von der Wirkung von Social Media für die erfolgreiche Nachwuchsakquise überzeugt: “Insbesondere der jungen Generation ist der Teamzusammenhalt enorm wichtig. Social Media hat einfach einen Rundumeffekt: Man präsentiert sich nach außen und gleichzeitig strahlt das zurück nach innen.” Mehr dazu erfahren Sie im Interview “4 Fragen an”.
Bildquelle: ZVDH
Digitalisierung in der Ausbildung
Die Corona-Krise habe dem Thema Digitalisierung in der Dachdeckerausbildung laut Zimmermann einen großen Schub gegeben. Dem Thema müsse man sich jedoch auch unabhängig von der Pandemie verstärkt widmen. Dinge, die bereits in der Ausbildung eingesetzt werden, sind das digitale Berichtshelft, die Video-Kommunikation über Microsoft Teams oder Office 365. Auch Lehrvideos würden teilweise schon genutzt. Der Einsatz digitaler Tools hänge jedoch stark von den einzelnen Bildungsstätten ab.
Auch beim MitarbeiterInnen-Onboarding könne man den Bewerbungsprozess großteils digitalisieren und auch die Einarbeitung in Prozesse durch Arbeitsanweisungen in digitaler Form durchführen.
Drohnenflug über den Dächern Berlins © Viellechner Dachdeckermeister GmbH
Die Betriebsgröße als entscheidender Faktor
Eine Studie des ZVDH ergab, dass der Digitalisierungsgrad von Betrieben in starkem Zusammenhang mit deren Größe steht. Die Mehrheit größerer Dachdeckerbetriebe nutzt bereits digitale Tools. Kleineren Unternehmen hingegen fehlt oft die Zeit und das Investitionsvermögen. Es herrscht oft Unsicherheit in Hinsicht auf die Vielzahl der angebotenen digitalen Software. Das betreffe laut Claudia Büttner, Pressesprecherin des Zentralverbandes, einen Großteil der Betriebe. Der ZDVH bietet daher Unternehmen an, sie bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen zu unterstützen. “Ich rate all unseren Betrieben: Überlegt euch eine Digitalisierungsstrategie. Wo ist das Ziel und wie erreicht ihr das? Nutzt außerdem das, was der Zentralverband euch bietet und seid dabei auch fordernd.”, so Zimmermann.
Schritt für Schritt zur Digitalisierung
Zimmermann weiß aus eigener Erfahrung: “MitarbeiterInnen sind sofort Feuer und Flamme, wenn sie merken, dass ihnen neue Tools dienen. Man darf sie aber nicht überfordern.”.
Sinnvoll sei es, zu Beginn erst einmal die Abläufe im Betrieb zu analysieren und zu schauen, an welchen Stellen digitale Lösungen möglich und sinnvoll wären. Anschließend solle versucht werden, in kleinen Schritten die betrieblichen Abläufe effizienter zu gestalten. Das Anlegen digitaler Bauakten wäre ein möglicher erster Schritt. Hier ergeben sich einige Vorteile, wie erleichterte Abstimmungsprozesse unter Mitarbeiter/innen und Kunden, für jeden nachvollziehbare Abläufe sowie das Erkennen von Baufortschritten anhand der Fotodokumentation.
Zukunftstrends
Für Zimmermann gibt es einige Bereiche, in denen die Digitalisierung zukünftig noch Änderungen bringen könnte. Zum Einen werde es weitere Entwicklungen im Bereich der digitalen Sensortechnik für die Feuchtigkeitsmessung in Dächern oder für die Lieferung von Wetterdaten geben. Und zum Anderen sei das Thema Arbeitssicherheit ein Gebiet, auf dem zukünftig noch viel passieren werde. Insbesondere technische Hilfsmittel für den Einsatz bei körperlich herausfordernden Tätigkeiten seien sinnvoll. Aber auch alternative Transportmittel von Materialien zu den in der Regel hoch gelegenen Arbeitsplätzen wären von Vorteil.
Im Bereich Wissenstransfer sei ebenso eine Menge machbar. Beispielsweise könne bei einer schwierigen Aufgabe über eine VA-Brille die entsprechende Anleitung abgerufen werden. Er gibt jedoch zu: Bei all diesen Entwicklungen stecke man noch in den Kinderschuhen. Dennoch werden in Zukunft mit Sicherheit neben der Optimierung bereits existierender Digitalsysteme viele weitere Innovationen folgen.
Zimmermann zeigt sich optimisitisch: “Ich sehe die Digitalisierung als eine Riesenchance für unser Handwerk. Es geht nicht darum, das digitale Dach zu erfinden, sondern darum, Prozesse zu optimieren, die Arbeit zu erleichtern und dadurch transparenter und effizienter zu werden.”.