Interview mit Konditormeisterin Antonia Rieth

Mit der Spritztüte bewaffnet: Antonia Rieth füllt Feingebäck mit Sahnecreme

Anto­nia Rieth, Fach­do­zen­tin und Kon­di­tor­meis­te­rin ver­rät uns im Inter­view, wie sie zum Hand­werk kam und wie Ihr All­tag an der Aka­de­mie der Kon­di­to­ren-Innung Ber­lin aussieht.

Mit 26 Jah­ren haben Sie schon den Meis­ter­ti­tel in der Tasche und geben Kur­se für ange­hen­de Kon­di­to­rIn­nen an der Akademie? 

Das stimmt. Ich arbei­te erst seit Sep­tem­ber 2019 als Fach­schul­do­zen­tin in der Kon­di­to­ren-Innung Ber­lin und habe im Win­ter 2018 mei­nen Meis­ter gemacht.

Wann stand für Sie fest, dass Sie Kon­di­to­rin wer­den möchten?

Ich bin sozu­sa­gen auf Umwe­gen zum Kon­di­to­ren­hand­werk gekom­men. Denn erst habe ich mein Abi gemacht und in Hol­land ange­fan­gen zu stu­die­ren. Recht schnell stell­te ich aber fest, dass ich eigent­lich etwas ganz Ande­res machen will und dach­te mir: „Jetzt tust du mal etwas, das dir immer schon Spaß gemacht hat.“. Und da ich mich schon immer unheim­lich viel für die The­men Kochen und Backen inter­es­siert habe habe, ist es dann die Kon­di­to­ren­leh­re geworden.
Ich habe die Ent­schei­dung auch bis heu­te kein ein­zi­ges Mal bereut. Ich bin ein­fach kein Büro­mensch und brau­che auch den posi­ti­ven Stress, den die Arbeit manch­mal mit sich bringt. Pri­vat backe ich auch noch viel, trotz­dem ich mein Hob­by zum Beruf gemacht habe. Beim Backen kann ich ein­fach super abschal­ten. Am bes­ten funk­tio­niert das zu Musik von Adria­na Celen­ta­no. LACHT.

Wie sieht für Sie ein typi­scher Tag an der Aka­de­mie aus?

In der Kon­di­to­ren-Innung ist ein Arbeits­tag auf jeden Fall ganz anders, als in der Back­stu­be des Betriebs in dem ich vor­her zwei Jah­re lang als Gesel­lin gear­bei­tet habe. Schon die Arbeits­zei­ten unter­schei­den sich extrem. In der Innung arbei­ten wir von Mon­tag bis Frei­tag von 7 bis 15:30 Uhr und im alten Betrieb habe ich hin­ge­gen schon um 4 Uhr mor­gens ange­fan­gen und auch viel an Fei­er­ta­gen und Wochen­en­den gear­bei­tet. Das ist jetzt also purer Luxus für mich.
An einem nor­ma­len Arbeits­tag lei­te ich als Dozen­tin jeden Mor­gen bei den über­be­trieb­li­chen Lehr­lings­un­ter­wei­sun­gen die Azu­bis zu gewis­sen The­men an. Die Vor­füh­run­gen rich­ten sich nach dem Rah­men­aus­bil­dungs­lehr­plan. Da die ver­schie­de­nen Aus­bil­dungs­be­trie­be unter­schied­li­che Schwer­punk­te haben, schlie­ßen die Azu­bis bei uns ihre Lücken. Das ist für mich natür­lich immer noch auf­re­gend und ich berei­te mich gut vor, damit bei der Vor­füh­rung dann alles klappt.

Wie gefällt Ihnen die neue Arbeit insgesamt?

Es macht mir echt Spaß mit den Schü­le­rIn­nen zusam­men zu arbei­ten. Ich muss auch sagen, dass ich dabei total viel ler­ne, weil ein­fach jeder sein Input aus den ver­schie­de­nen Berei­chen mitbringt.
Und im Ver­gleich zum Betriebs­all­tag habe ich hier neben der Arbeit mit den Azu­bis viel mehr Zeit auch mal neue Sachen aus­zu­pro­bie­ren und an neu­en Rezep­ten her­um zu experimentieren.

Wel­chen Ein­fluss haben aktu­el­le Trends wie Vega­nis­mus im Handwerk?

Den Ein­fluss merkt man schon. Es gab bei­spiels­wei­se auch schon ers­te Gesel­len­prü­fun­gen, die kom­plett vegan abge­legt wur­den. Das fin­de ich ziem­lich beein­dru­ckend, denn es nicht so ein­fach ein Rezept so nach­zu­emp­fin­den, dass es einem Pro­dukt mit tie­ri­schen Inhalts­stof­fen in nichts nach­steht. Ich fin­de es auf jeden Fall wich­tig, dass man mit der Zeit geht.
Und außer­dem muss man auch im Hin­blick auf spä­te­re Selb­stän­dig­keit ein biss­chen schau­en, was die Kun­den sich heu­te wün­schen und wohin sich alles ent­wi­ckelt. Mei­ner Mei­nung nach ist es inzwi­schen not­wen­dig gewor­den, für jeden eine vega­ne Alter­na­ti­ve anbie­ten zu können.

Wie hoch ist der Anteil weib­li­cher Ange­stell­ter und/oder Auszubildender?

Wir haben sehr weni­ge Män­ner in dem Beruf und es gibt immer mehr Frau­en. Das war frü­her mal anders. Wir haben meis­tens immer einen Quo­ten­mann in den Aus­bil­dungs­jahr­gän­gen. Außer­dem ent­schei­den sich immer mehr Abitu­ri­en­tin­nen für den Beruf. Ich den­ke, dass ein­fach die Lei­den­schaft fürs Hand­werk der Grund hier­für ist — Stich­wort Selbstverwirklichung.

Mit wel­chen Her­aus­for­de­run­gen sind Sie heu­te konfrontiert?

Also Nach­wuchs­pro­ble­me haben wir hier in Ber­lin jeden­falls kei­ne im Ver­gleich zu ande­ren Gewer­ken. Ich glau­be, ein gro­ßes Pro­blem in unse­rem Hand­werk und auch ins­be­son­de­re im Bäcker­hand­werk sind die The­ken, die es mitt­ler­wei­le über­all bei fast jedem Lebens­mit­tel­dis­coun­ter gibt. Dort kriegt man fri­sche Back­wa­ren zu super güns­ti­gen Prei­sen mit denen man als Hand­wer­ke­rIn ein­fach nicht mit­hal­ten kann. Ich beob­ach­te, dass vie­le Leu­te in Ber­lin nicht dazu bereit sind, Geld für gutes Essen aus­zu­ge­ben und sich nicht bewusst sind, wie viel Zeit und Arbeit in einem Pro­dukt steckt. Gute Roh­stof­fe, wie Man­deln, Mar­zi­pan und Kuver­tü­re haben halt ihre Prei­se. Und die Qua­li­tät schmeckt man ja auch.
Eine posi­ti­ve Ent­wick­lung, die ich hin­ge­gen wirk­lich gut fin­de, ist der aktu­el­le Food­trend. Manch­mal nimmt das zwar extre­me For­men an, aber an und für sich ist es ein­fach gut, dass die Men­schen sich wie­der ver­mehrt mit dem The­ma Ernäh­rung auseinandersetzen.

Wel­che Fähig­kei­ten wer­den benö­tigt, um erfolgreiche/r Kon­di­to­rIn zu werden?

Ich glau­be Durch­hal­te­ver­mö­gen ist ganz wich­tig. Auch eine gewis­se Resis­tenz gegen­über blö­den Kom­men­ta­ren ist vor­teil­haft. Außer­dem soll­te man eine gro­ße Lei­den­schaft für das Hand­werk mit­brin­gen, denn die Bezah­lung ist wäh­rend der Aus­bil­dung, wie in fast allen Hand­werks­be­ru­fen, ein­fach nicht gut. Natür­lich spielt auch Krea­ti­vi­tät eine gro­ße Rolle.
Man braucht jeden­falls kei­ne über­durch­schnitt­lich guten Schul­no­ten, weil man weder gut Rech­nen, noch Schrei­ben kön­nen oder drei Fremd­spra­chen beherr­schen muss. Dafür kann man aber auf der gan­zen Welt in dem Beruf arbei­ten, wenn man möchte.

Was stel­len Sie am liebs­ten her?

Am liebs­ten stel­le ich Sah­ne­tor­ten her und mache fili­gra­ne Sachen, wie Schrift­zü­ge mit der Spritz­tü­te. Pri­vat backe ich eher boden­stän­di­ger, z.B. den Rüb­li­ku­chen mei­ner Oma oder einen ein­fa­chen Blechkuchen.


Gefördert durch: