04.06.2019

Interview mit Glasermeister Jan Kerber

Jan Kerber im Firmeneingang / © BarteltGLASBerlin GmbH & Co. KG 

Wir haben Jan Ker­ber, der seit 2010 bei Bartelt­GLAS­Ber­lin arbei­tet, zum Betrieb, zu aktu­el­len Ent­wick­lun­gen im Gla­ser­hand­werk und zu den The­men Aus­bil­dung und Nach­wuchs­kräf­te­ge­win­nung befragt.

Hal­lo Herr Ker­ber, was ist das Beson­de­re an der BarteltGLASBerlin?

Bartelt­GLAS­Ber­lin ist ein Fami­li­en­un­ter­neh­men, in dem sehr auf­ein­an­der geach­tet wird und in dem es viel­fäl­ti­ge Mög­lich­kei­ten gibt, sich ein­zu­brin­gen. Einer­seits gibt es die Pro­duk­ti­on, außer­dem den Mon­ta­ge­be­reich und den Metall­bau. Weil wir die­se drei Berei­che an einem Stand­punkt haben, kön­nen wir ein­fa­cher Pro­ble­me lösen, Kun­den­wün­sche erfül­len und fle­xi­bel auf Son­der­lö­sun­gen reagie­ren. Die Kun­den­nä­he spielt bei uns eine gro­ße Rol­le. Wir leben von dem posi­ti­ven Feed­back unse­rer Auf­trag­ge­ber und tre­ten wenig mit Wer­bung nach außen auf.
Die Viel­falt unse­rer Ziel­grup­pen macht das Arbei­ten bei uns außer­dem sehr inter­es­sant. Vie­le inter­es­san­te Künst­ler und Archi­tek­ten zäh­len zu unse­ren Kun­den. Zum Bei­spiel arbei­ten wir mit dem renom­mier­ten Künst­ler Olaf­ur Eli­as­son zusammen.

Wann stand für Sie fest, dass Sie Gla­ser wer­den möchten?

Ich sel­ber kom­me aus einer Fami­lie bestehend aus Jour­na­lis­ten, Kame­ra­leu­ten, Ärz­ten und Inge­nieu­ren. Habe aber in der Ober­stu­fe fest­ge­stellt, dass mir ande­re Din­ge wich­ti­ger sind. Erst habe ich das Fach­ab­itur gemacht, bin dann zur Armee, absol­vier­te anschlie­ßend die Aus­bil­dung zum Gla­ser und erlang­te den Meis­ter­ti­tel. Momen­tan mache ich par­al­lel zur Arbeit den Betriebs­wirt. Heu­te weiß ich, dass der gerad­li­nigs­te Weg nicht immer der rich­ti­ge ist.
Ich appel­lie­re daher immer an die Eltern: Guckt, was eure Kin­der wirk­lich kön­nen. Jeden zu BWL zu über­re­den bringt nichts. Ich stel­le zudem immer wie­der fest, dass die Unter­neh­men solch einen Wer­de­gang wegen der prak­ti­schen Erfah­run­gen schätzen.

Wie sieht ein typi­scher Tag in Ihrer Gla­se­rei aus?

Um sie­ben Uhr ver­sam­meln wir uns in der Werk­statt und dann wird die Arbeit ver­teilt. Die ein­zel­nen Auf­trä­ge wer­den ein­ge­hen­der bespro­chen. Mal ist dies ein gro­ßer Auf­trag für alle Kol­le­gen, mal sind meh­re­re Auf­trä­ge auf Teams ver­teilt. Wir haben ein gro­ßes Spek­trum an Arbeits­be­rei­chen. Es kann sein, dass man nur eine nor­ma­le Schei­be aus­tau­schen oder meh­re­re Dach­schei­ben mit Kran­ein­satz wech­seln muss, was schon ein biss­chen mehr Auf­wand bedeu­tet. Es kann auch eine Groß­bau­stel­le mit meh­re­ren Spie­geln zur Mon­ta­ge, der Ein­bau einer Dusche direkt beim Kun­den oder der Aus­bau eines Working­spaces mit Abtren­nung der Büro­ka­bi­nen sein. Ein typi­scher Tag lässt sich daher schwer beschreiben.

Wie hoch ist der Anteil weib­li­cher Ange­stell­ter und Auszubildender?

Wir haben eine Kol­le­gin im Digi­tal­druck, eine in der Ver­ed­lung und zwei Frau­en in der VSG. Also ins­ge­samt sind es nicht all­zu vie­le weib­li­che Mit­ar­bei­te­rIn­nen. Es ist eben immer noch ver­brei­tet, dass der Beruf sehr kör­per­lich und die Kol­le­gen rau sei­en, was gar nicht mehr so ist. Das schwe­re Heben ist nur noch bis zu einem gewis­sen Grad ver­langt. Bei uns im Haus wer­den Hebe­ge­rä­te ein­ge­setzt, um die Kol­le­gen zu entlasten.
Ich per­sön­lich befür­wor­te die Ein­stel­lung von weib­li­chem Per­so­nal. Ich habe mich bei­spiels­wei­se letz­tens direkt für eine Bewer­be­rin im Innen­dienst ent­schie­den, um ein­fach eine ande­re Dyna­mik in ein rei­nes Män­ner­team zu bekommen.

Wie steht es Ihrer Mei­nung nach mit dem The­ma Digi­ta­li­sie­rung im Glaserhandwerk?

Im Ein­bau­be­reich selbst spielt das The­ma der­zeit noch kei­ne so gro­ße Rol­le. Dafür aber bei den Hilfs­mit­teln, wie den Mess­ge­rä­ten oder den Bau­ak­ten und Zeich­nungs­an­fer­ti­gun­gen über Tablets.
Im Glas­be­reich selbst wer­den heu­te bei­spiels­wei­se schalt­ba­re Glä­ser ein­ge­setzt oder elek­tro­ni­sche Ver­rie­ge­lun­gen in Türen ein­ge­baut, die mit einer Chip­kar­te funktionieren.
Im Bereich Ver­dunk­lung und Ver­schat­tung von Glä­sern oder bei unse­rem typi­schen Pro­dukt, den schalt­ba­ren Glä­sern, pas­siert gera­de auch unheim­lich viel. Die Trenn­wand also so zu gestal­ten, dass sie ein­mal durch­sich­tig ist und auf dann auf Knopf­druck opak wird. Das Stich­wort lau­tet hier Smart-Glas. Auch das Schrei­ben auf Glä­sern und somit die Nut­zung als Lein­wand für Bea­mer o.ä. steht immer mehr auf dem Plan.
Wir haben im Haus einen Inno­va­ti­ons­kreis und schau­en, dass wir ein Stück weit an den Trends dran blei­ben und alles das, was wir sel­ber nicht leis­ten kön­nen, über Koope­ra­tio­nen abzudecken.

Mit wel­chen Her­aus­for­de­run­gen sind Sie heu­te im Gla­ser­hand­werk konfrontiert?

Ein Pro­blem ist die hohe Abbre­cher­quo­te der Azu­bis. Die Hälf­te der Lehr­lin­ge schafft es nicht bis zum Ende durch­zu­hal­ten. Das hat unter­schied­li­che Grün­de. Mal wer­den die Jugend­li­chen von ihren Eltern zu einer Leh­re über­re­det und wol­len es gar nicht sel­ber. Dann sind die Gehäl­ter in der Aus­bil­dungs­zeit im Hand­werk im Ver­gleich zur Indus­trie oder zum Dienst­leis­tungs­sek­tor eher gering.
Zudem haben wir im Hand­werk lei­der über die Jahr­zehn­te einen schlech­ten Ruf bekom­men. Die­ses Pro­blem kommt der­zeit gera­de durch den demo­gra­fi­schen Wan­del noch mehr zum Tra­gen. Das Hand­werk hat es lei­der bis­her ver­passt, sich neu zu posi­tio­nie­ren und die eige­nen Vor­tei­le herauszustellen.
Eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung ist das The­ma Digi­ta­li­sie­rung, bei dem sich das Hand­werk schwer tut. Es muss ein Wan­del statt­fin­den und dazu müs­sen sich Unter­neh­mer öff­nen. Dem jun­gen Nach­wuchs, der fri­sche Ideen mit­bringt, soll­ten neue Wege auf­ge­zeigt wer­den kön­nen. Das wird die Auf­ga­be für die nächs­ten Jah­re werden.

Wie sieht die Nach­wuchs­kräf­te­för­de­rung im Unter­neh­men aus?

Erst ein­mal geben wir allen Bewer­be­rIn­nen eine Chan­ce. Das bedeu­tet, auch denen, die kein per­fek­tes Zeug­nis haben. Denn das Zeug­nis spie­gelt oft nicht die ech­ten Fähig­kei­ten wider. Bei uns zählt mehr, ob die Che­mie passt.
Wir för­dern unse­re Lehr­lin­ge dann bei Bedarf und besor­gen ihnen zum Bei­spiel Nach­hil­fe in ver­schie­de­nen Berei­chen. Es geht am Ende dar­um, dass jeder sei­nen Platz im Unter­neh­men fin­det und sein Ehr­geiz oder Wil­le zur Fer­ti­gung eines Pro­duk­tes geweckt wird. Dann ver­su­chen wir die jun­gen Leu­te nach der Aus­bil­dung zu behal­ten und wol­len ihnen auch Auf­stiegs­chan­cen im Unter­neh­men bie­ten. Dafür tun wir eine gan­ze Menge.
Wir sind gern dazu bereit, Fort­bil­dun­gen zu bezah­len oder ein Stu­di­um zu ermög­li­chen. Das haben wir schon mit vie­len Azu­bis gemacht.

Was raten Sie jun­gen Men­schen, die sich fürs Gla­ser­hand­werk inter­es­sie­ren? Wel­che Fähig­kei­ten wer­den benö­tigt, um erfolgreiche/r Gla­se­rIn zu werden?

Sie müs­sen nicht per­fekt sein und nur Ein­sen auf dem Zeug­nis haben. Am wich­tigs­ten ist viel­mehr, dass die jun­gen Men­schen Spaß am Hand­werk haben und ein Inter­es­se dar­an, aus einem Roh­stoff etwas zu erschaf­fen. Außer­dem muss man sich bewusst sein, dass es schon eine gewis­se kör­per­li­che Arbeit ist.
Zwei wich­ti­ge Eigen­schaft, die Lehr­lin­ge dar­über hin­aus bei uns haben soll­ten, sind Empa­thie und Anpas­sungs­ver­mö­gen. Man soll­te sich gut auf die unter­schied­li­che Kli­en­tel ein­stel­len kön­nen – vom Haus­meis­ter bis zum Haus­be­sit­zer in Gru­ne­wald unter­hal­ten kön­nen.  Wenn man also moti­viert ist, Spaß an der Sache hat, öfter Ein­satz über das Gefor­der­te hin­aus zeigt und mit­denkt, hat man heu­te im Gla­ser­hand­werk vie­le Chan­cen etwas zu erreichen.

Firmenporträt BarteltGLASBerlin 

Blick in die Produktion / © BarteltGLASBerlin GmbH & Co. KG 

Die Bartelt­GLAS­Ber­lin GmbH & Co. KG wur­de 1960 von Ger­da und Heinz Bartelt in Ber­lin gegrün­det. Neben Glas­bau, ‑design und ver­ede­lung wird Sicher­heits­glas in eige­nen Pro­duk­ti­ons­an­la­gen auf 13.500 Qua­drat­me­tern her­ge­stellt. Die Bartelt­GLAS­Ber­lin GmbH & Co. KG zählt heu­te 120 Mit­ar­bei­te­rIn­nen. Das Unter­neh­men bil­det in den Berei­chen Gla­se­rIn, Flach­glas­ver­ed­le­rIn, Flach­glas­tech­no­log­eIn, Fach­la­ge­ris­tIn, Indus­trie­kauf­frau/-mann sowie Metall­baue­rIn aus. 2016 wur­de es von der IHK und der HWK als einer der  bes­ten Aus­bil­dungs­be­trie­be in Ber­lin aus­ge­zeich­net und erhielt das IHK Sie­gel „Exzel­len­te Aus­bil­dungs­qua­li­tät“. 90 Pro­zent der Azu­bis wer­den nach der Aus­bil­dung über­nom­men. Zudem herrscht eine gerin­ge Fluk­tua­ti­ons­ra­te im fami­li­en­ge­führ­ten Unter­neh­men vor. Im Jahr 2015 wur­de zum zwei­ten Mal inner­halb der Fami­lie ein Gene­ra­tio­nen­wech­sel voll­zo­gen und die Geschäfts­füh­rung von den Geschwis­tern Robert Horn und Julia Gebur­zi-Horn vom Vater Kurt Horn übernommen.


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