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Vortragsreihe Multi:perspektiv
Auch im Schuljahr 2021/22 fand – in Kooperation mit der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Familie – eine Vortragsreihe statt.
Die neue Vortragsreihe widmete sich unter dem Titel Multi:Perspektiv – Pädagogik in der Migrationsgesellschaft dem Themenkomplex der modernen Migrationsgesellschaft.
1.Vortrag
Multi:Perspektiv — Pädagogik in der Migrationsgesellschaft
Referent: Noël van den Heuvel, Leibniz-Institut Moderner Orient
Moderation: Feyzullah Yeşilkaya, Modul e. V.
Video der Auftaktveranstaltung
Die Bedeutung der Erziehung zum/zur mündigen und antifaschistischen BürgerIn und damit auch das Gedenken an Nationalsozialismus und die Shoa wird in Berlin in §1 des Schulgesetzes gesondert hervorgehoben. In den letzten Jahren werden aber Stimmen lauter, die darauf hinweisen, dass die Vermittlung oft zu stark aus der Perspektive deutscher Täterfamilien gedacht ist. Hierdurch werden manche Jugendliche nicht erreicht.
Aktuell haben rund 37 % der SchülerInnen einen Migrationshintergrund und damit oftmals (zumindest auf den ersten Blick) keine familiären Verbindungen zu Holocaust und 2. Weltkrieg. Nicht selten sind ganz andere historische Verbrechen für die Familiengeschichte prägender, wie beispielsweise Flucht, Kolonialismus oder Genozide, wie in Srebrenica, Ruanda oder Halabja.
Vor allem der Nahostkonflikt bildet hier eine besondere Herausforderung. Hier schließt sich die in dem Thema besonders herausfordernde Frage an, wie kann eine Pädagogik gegen Antisemitismus aussehen, die mit familiären Erfahrungen im Zuge des Nahostkonflikts nicht in Konkurrenz steht, sondern es schafft diese ernstzunehmen?
Mit Hédi Bouden, Lehrer am Hamburger Helmudt-Schmidt-Gymnasium und Organisator mehrerer preisgekrönter Jugendprojekte, u. a. „Why should I care about your history?“ (Was geht mich eure Geschichte an?) sowie Mehmet Can, Geschichtslehrer an der Berliner Rütli-Schule und Organisator von Bildungsreisen nach Israel/Palästina (verarbeitet in dem Comic „Mehr Als 2 Seiten“ https://mehrals2seiten.de/) möchten wir über diese vielen verschiedenen Fragen diskutieren.
2. Vortrag
Anfänge und Erinnerungen. Das Leben in Syrien und das Ankommen in Deutschland.
Referent: Christoph Leonhardt, Kommunales Bildungswerk e. V.
Moderation: Feyzullah Yeşilkaya, Modul e. V.
800.000 Menschen sind in den letzten zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen, mehr als 40.000 von Ihnen leben in Berlin. Wie beeinflussen ihre Erfahrungen aus Syrien ihr Ankommen in Deutschland? Sie kamen somit auch an die meisten der pädagogischen Einrichtungen in Deutschland. Doch der Neuanfang in der Migration ist nicht immer leicht.
Ausgehend von dem Forschungsprojekt „Normalität und Krise. Die Erinnerung an den Alltag in Syrien als Chance für den Neuanfang in Deutschland“ des Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO), soll die Lebensperspektiven nach Deutschland gekommener SyrerInnen aufgezeigt werden. Ausgehend von grundsätzlichen Fragen dazu, was die syrische Geschichte, Gesellschaft und Staat eigentlich aussahen, soll sich besonders dem Alltagsleben in Syrien genähert werden. Was prägte den Alltag der Menschen und was veränderte sich hierbei für sie bei der Flucht nach Deutschland? Dies soll die Perspektive aus Syrien stammender Jugendlicher für pädagogische MitarbeiterInnen erfahrbarer und verständlicher machen.
Aus dem dreijährigen Forschungsprojekt wurde eine virtuelle Ausstellung entwickelt. Es ist möglich sich diese Veranstaltung auch in die eigene Klasse zu holen und kann gerade für Klassen, von denen auch aus Syrien stammende Jugendliche ein Teil sind, interessant sein. Im Rahmen der Veranstaltung wird die Ausstellung „Anfänge & Erinnerungen“ vorgestellt.
3. Vortrag
Bozkurt, Wölfe, idealistische Jugend. Die faschistischen Grauen Wölfe in der interkulturellen Pädagogik.
Referent: Pierre Asisi, ufuq.de
Moderation: Feyzullah Yeşilkaya, Modul e. V.
Auch für aus migrantisch geprägten Familien stammende Jugendliche können faschistische Bewegungen eine interessante Jugendkultur darstellen. Besonders aktiv in der Jugendarbeit sind in Deutschland die aus der Türkei stammenden Grauen Wölfe, als Selbstbezeichnung auch „Ülkücü Gençlik“ (Idealisten-Jugend) genannt. Ihre Vorstellungen der Überlegenheit türkischer oder turanischer Völker ist deutschen Vorstellungen des Ariertums sehr ähnlich. Ihre Organisationen existieren in Deutschland seit Jahrzehnten und haben nach Schätzungen in Deutschland rund 18.000 Mitglieder, rund dreimal mehr als die NPD.
Der Umgang mit Rassismus und rechtsextremen Vorstellungen kann für pädagogische MitarbeiterInnen in Kontexten, in denen sie sich weniger gut auskennen oder in denen sie sich selbst als AußenseiterInnen in dem Konflikt wahrnehmen, schwierig sein.
Oftmals gibt es überhaupt das Problem diese Gruppen und ihre Codes zu erkennen. Auseinandersetzungen suchen die zugehörigen Jugendlichen zumeist auch weniger mit den pädagogischen MitarbeiterInnen, sondern eher mit ihren erklärten Feinden, wie beispielsweise ArmenierInnen, KurdInnen oder Linken.
Wobei es auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen mag, kann gerade die Erfahrung in Deutschland rassistisch ausgegrenzt zu werden, zu einer Hinwendung zu vermeintlich starken und Gemeinschaft stiftenden Organisationen, wie den Grauen Wölfen, führen. Die Herausforderung für die pädagogischen MitarbeiterInnen ist es diesen Aspekt zu verstehen, aber gleichzeitig das Phänomen dennoch als ideologische Äußerung, und somit auch die Jugendlichen, ernst zu nehmen.
In dieser Veranstaltung soll sich dem Thema von Grund auf genähert werden. Was ist die Ideologie dieser Bewegung? Was ihre Geschichte und ihre Organisationen in Deutschland? Was ist eigentlich die Geschichte der Türkei und den ArmenierInnen und KurdInnen? Wie lassen sich ihre Codes in der Jugendarbeit erkennen? Was macht ihre Attraktivität für Jugendliche aus, gerade wo diese doch oft selbst von Rassismus betroffen sind? Welche Ansätze gibt es ihnen in der Jugendarbeit zu begegnen? All diese und weitere Fragen, werden hier diskutiert werden.