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Tradition trifft Moderne: Handwerk 4.0
Der Beruf AnlagenmechanikerIn ist durch die 2003 vollzogene Zusammenführung verschiedener Berufe komplexer geworden (Beruf des Monats: AnlagenmechanikerIn). Nicht nur die Praxis ist vielseitig, auch der theoretische Teil recht umfangreich. In der Berufsschule stehen deshalb einige Auszubildende vor großen Herausforderungen und auch MitarbeiterInnen von Handwerksbetrieben sind bei Arbeit oft mit schwierigen Situationen konfrontiert. Im Fokus von Forschungen des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima steht aktuell daher unter anderem die Frage, wie die Digitalisierung dabei helfen kann, den Berufsalltag von Beschäftigten zu erleichtern.
Für Andreas Otremba, Projektleiter des SHK-Kompetenzzentrums Berlin, steht das SHK-Handwerk im Zuge der Digitalisierung derzeit vor allem vor zwei großen Herausforderungen: Einerseits gilt es die Arbeitsprozesse von Betrieben digitaler zu gestalten und andererseits spielt das Thema Gebäudeautomation (Smart Building) eine zunehmend wichtigere Rolle. Beide Themen sollen zukünftig auch verstärkt in die Ausbildung integriert werden.
Digitalisierung der Arbeitsprozesse
Von der Auftragsannahme bis zur – übergabe wird die entsprechende Handwerkersoftware noch sehr unterschiedlich und nur teilweise von Mitarbeitenden eingesetzt. So gibt es bereits einige Zusatztools, die z.B. zur Warenbestellung eingesetzt werden oder mit GPS-Trackern ausgestattete Werkzeuge. Die Software soll jedoch als ein Gesamtprozess funktionieren:
“Die Zukunftsidee wäre die, dass der Monteur zum Kunden geschickt wird und schon das iPad mit der im Vorfeld festgelegten Route sowie dem verladenen Werkzeug und den Materialien dabei hat. So muss dieser nur noch die Kunden abfahren und spart damit erheblich Arbeitszeit.”, so Otremba. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels sei dies ein entscheidender Faktor.
Effizienzhaus Plus am SHK-Stand auf dem KarriereCenter der bautec 2020 © Messe Berlin GmbH
Smart Building
Beim Thema Gebäudeautomation sehe es ähnlich aus. Nur etwa 10 bis 20% der Betriebe arbeiten laut Otremba aktuell in dem Bereich. Smart Building ist die intelligente Vernetzung aller Geräte eines Gebäudes, durch die eine automatische Regelung von Hydraulik, Heizung, Wohnraumlüftung und Licht erfolgt. Die Geräte kommunizieren untereinander und regulieren sich dabei selbstständig.
Das Thema Gebäudeautomation befindet sich an der Schnittstelle vom/von der EletronikerIn zum/zur AnlagenmechanikerIn: “ElektronikerInnen können zwar gut programmieren, haben aber von Hydraulik keine Ahnung. Den AnlagenmechanikerInnen hingegen geht es genau andersrum.”, meint Otremba. Hier steht die Frage im Raum, wie sich zukünftig eine engere Zusammenarbeit entwickeln könnte.
Digitalisierung in der Ausbildung
In der Ausbildung wird bisher nur rudimentäres Wissen über Smart Building vermittelt. Otremba ist sich jedoch sicher, dass sich dies bald ändern wird. Das Thema soll deswegen zunehmend in der Ausbildung eine Rolle spielen. Derzeit befinden sich zwei Ausbilder des SHK-Kompetenzzentrums Berlin in einer entsprechenden Schulung. Im Zuge der Digitalisierungskampagne wurde das Kompetenzzentrum neben 120 iPads außerdem mit einem Smart-Home-Ständer ausgestattet.
Seit 2016 sieht die SHK-Ausbildungsverordnung vor, dass Auszubildende im Rahmen ihrer Lehre die Möglichkeit haben sollen, digitale Zusatzkompetenzen auf freiwilliger Basis erwerben zu können. Hierbei handelt es sich um Grundlagenwissen über Hardware, Software und Social Media-Anwendungen. Im konkreten Fall können sich Auszubildende selbständig ein Digitalisierungsprojekt für ihren Betrieb überlegen und dieses anschließend dort umsetzen.
“Ich erinnere mich hier zum Beispiel an eine Auszubildende, die eine Serverlösung für die Terminkoordination in ihrem Ausbildungsbetrieb entwickelt hat. Diese ermöglichte anschließend eine einheitliche Terminkoordination des gesamten Teams.”, so Otremba.
Sven Hubbert mit seinen Azubis auf der bautec 2020 / Bildquelle: Sven Hubbert
Für Sven Hubbert, angestellter Geschäftsführer und Betriebsleiter der MADA Gebäudetechnik GmbH, liegt der Vorteil der Einbindung junger Menschen in digitale Arbeitsprozesse auf der Hand: “Sie kennen sich mit digitalen Technologien meist besser aus als ältere Kollegen. Eine Mischung aus jungen und älteren MitarbeiterInnen ist für mich unschlagbar. Unbezahlbares Fachwissen gepaart mit frischen, neuen und digital affinen Leuten – das ergänzt sich super.”. Doch nicht nur in der Ausbildung, sondern auch für die Gewinnung von jungen Nachwuchskräften fürs Handwerk, lassen sich digitale Tools einsetzen: “Durch den gemeinsamen Instagram-Account #lustaufhandwerk und unseren Firmen-Account #mada.team.shk erreichen wir junge Menschen und können uns mit anderen Handwerkern vernetzen.”, so Hubbert. Mehr dazu im Interview in unserer Rubrik 4 Fragen an.
Handwerksgeselle 4.0
Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima arbeitet in seinem 2018 ins Leben gerufenen Forschungsprojekt Handwerkgeselle 4.0 an der Entwicklung und am Einsatz kognitiver und physischer Assistenzsysteme im SHK-Handwerk. Am Beispiel der Badsanierung wird untersucht, wie diese den Berufsalltag von Beschäftigten erleichtern können.
Video “Das Projekt Handwerksgeselle 4.0”:
Unterstützung durch die Datenbrille / Bildquelle: ZVSHK — Thomas Dietrich
Das kognitive Assistenzsystem als Lösung für die Arbeitssituation “Wenn ich nicht mehr weiter weiß.”
Kognitive Assistenzsysteme sind digitale Tools, die es HandwerkerInnen ermöglichen, direkt vor Ort Informationen über Geräte und notwendige Arbeitsschritte mittels spezieller Anwendungen abzurufen. So können beispielsweise vor Ort Montageanleitungen auf eine Datenbrille gespielt werden, die bei der Reparatur oder der Wartung von Geräten helfen. In der Medizin, in der Industrie und im Flugbetrieb werden kognitive Assistenzsysteme bereits täglich eingesetzt. In Handwerksbetrieben werden sie derzeit noch eher selten verwendet.
Laut Thomas Schwab, Projektleiter der Tillerstack GmbH, sollen diese Anwendungen leicht und intuitiv zu bedienen und für jeden Ausbildungsstand und jedes Alter passend sein. “Die Apps sollen auf verschiedenen Geräten einsetzbar sein und zwei grundsätzliche Arbeitsweisen unterstützen: Assistenz zur Selbsthilfe und Hinzuziehung eines Experten.”, so Schwab.
Video “Handwerksgeselle 4.0 — Die Datenbrille für Handwerker”:
Exoskelette im Einsatz / Bildquelle. exoIQ GmbH
Physische Unterstützungssysteme als Entlastung auf der Baustelle
Ob bei der Installation von Elektrik, Rohren, Keramikelementen oder Amaturen — häufig sind manuelle Tätigkeiten auf der Baustelle nur unter Zuhilfenahme schwerer Werkzeuge oder in Zwangspositionen durchzuführen. Physische Unterstützungssysteme, sogenannte Exoskelette, können die menschliche Körperkraft dabei gezielt unterstützen. Sowohl textil- als auch starkörperbasierte Systemstrukturen stehen hier zur Verfügung. Durch die Verwendung von Exoskeletten und die damit verbundene körperliche Entlastung kann häufig auftretenden Krankheiten entgegengewirkt werden. Damit dienen physische Unterstützungssysteme dem Erhalt der Arbeitskraft im Alter.
Das Projekt befindet sich derzeit in der Laborphase. Das kognitive Assistenzsystem und diverse Exoskelette sollen nun mit Auszubildenen und Mitarbeitenden des SHK-Handwerks getestet werden. Anschließend werden Feldversuche auf der Baustelle bei der Badsanierung durchgeführt, um Akzeptanz und Usability zu untersuchen.
Video “Handwerksgeselle 4.0 — Exoskelette zur physischen Unterstüzung des Handwerkers”: