- Praxislernen
- Interviews
- Interview Bauunternehmer
„Bei uns gibt es keinen typischen Tag. Aber im Regelfall geht es jeden Tag um 7 Uhr auf der Baustelle los.“
© Eckhard Schulte
Eckhard Schulte ist Geschäftsführer der WST-Bau Schulte GmbH und Präsidiumsmitglied der Fachgemeinschaft Bau Berlin. Wir haben mit ihm über das Berufsbild MaurerIn sowie über die Themen Ausbildung, Nachwuchskräftegewinnung und Trends im Baugewerbe gesprochen.
Im Vergleich zu anderen Bauunternehmen sind wir recht groß. Wir haben 25 Gesellen, acht Azubis und zehn Leute im Büro. Die 18 Maurer, die bei uns arbeiten sind außerdem keine klassischen Akkordmaurer, die den Rohbau hochziehen und den ganzen Tag nur Steine hochwuchten. Bei uns ist der Beruf sehr vielseitig. Denn wir arbeiten zu 80 % im Bestand. Das bedeutet, wir sind zum Großteil mit Sanierungen und Umbau von Gebäuden beschäftigt. Wir arbeiten viel im öffentlichen Bereich, wie beispielsweise an Schulen. Und hier ist nicht das klassische Mauern gefragt, sondern eher das Schließen von Decken oder das Herstellen von Durchbrüchen für Türöffnungen. Ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit von Vielseitigkeit ist die Arbeit an Balkonen, die Königsdisziplin hier in Berlin. An der Sanierung eines Balkons sind im Normalfall fünf Gewerke beteiligt. Denn es fallen Abdichtungs‑, Estrich‑, Putz‑, Stuck- und Klempnerarbeiten an. Da man nicht fünf verschiedene Handwerker auf einen Balkon stellen kann, ist eben Vielseitigkeit gefragt. Für die Klempnerarbeiten holen wir uns natürlich oft einen echten Klempner.
Ich bin eigentlich der untypischste Bauunternehmer, den man sich vorstellen kann. Denn ich habe keine Lehre in dem Bereich gemacht, sondern eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Ich hatte ursprünglich gar keine Ambitionen am Bau. Bin dann aber in eine Trockenbaufirma reingerutscht und habe mich anschließend immer als Bindeglied zwischen kaufmännischem und technischem Bereich sowie dem Management gesehen. Das Wissen über den technischen Bereich, für den ich heute in unserem Unternehmen zuständig bin, habe ich mir in 30 Jahren angesammelt, indem ich einfach immer wieder hingeschaut habe. Und das ist auch der Rat, den ich Azubis immer gebe: Mit der Ausbildung hört das Lernen nicht auf, sondern da fängt es gerade erst richtig an. Heute ist es auch in der Tat so, dass ich als Sachverständiger gefragt werde, weil ich tatsächlich ein bisschen aufgepasst habe. Lacht!
Bei uns gibt es keinen typischen Tag. Aber im Regelfall geht es jeden Tag um 7 Uhr auf der Baustelle los. Freitags bei der Wochenplanung wird festgelegt, wo es die Woche drauf für die MitarbeiterInnen hingeht. Morgens wird dann auf der Baustelle die Aufgabe besprochen und angelieferte Werkzeuge und Maschinen vertragen und die Baustelle eingerichtet. Dann müssen sehr oft Schutzmaßnahmen gemacht werden, dh. etwas mit Folie abkleben, den Boden auslegen, etc. Anschließend wird das Material mit einem Rührgerät und einer Tuppe angerührt und dann wird geputzt oder gemauert oder was eben so ansteht. Nachmittags wird dann das Werkzeug gereinigt und die Schutzmaßnahmen beseitigt.
Im Trockenbau spüren wir bereits deutlich die Wirkungen des Mietendeckels. Denn der Investor ist ein scheues Reh. Der Preiskampf unter den Unternehmen ist hier schon ausgebrochen. Es ist zwar nicht so, dass man gar keine Aufträge mehr bekommt, aber man merkt es trotzdem. Außerdem werden qualifizierte Fachkräfte gesucht, die mitdenken und sich untereinander verständigen können. Wir stellen fest, dass die Qualität oberhalb der Gesellen total stark abreißt. Es möchte keiner mehr Verantwortung übernehmen und sich den Stress antun. Daher haben wir große Probleme Poliere und Bauleiter zu finden. Der Bauleiter hat natürlich auch eine herausfordernden Position, da er immer zwischen drei Stühlen steht: dem Bauherren, dem Investor und den MitarbeiterInnen. Somit hat er keinen einfachen Job.
Unser zweitgrößtes Problem ist die Verknappung der Bauzeiten. Es ist nämlich so, dass von vornherein unrealistische Bauzeiten angenommen werden. Auch die Einhaltung der Budgets ist meist ein von der Politik hausgemachtes Problem. Denn die Kosten werden meistens vorher um die 30% runtergerechnet, damit das Projekt überhaupt durchgeführt werden kann. Das Stichwort lautet hier Vergabeverfahren über Ausschreibungen. Ich persönlich finde das angelsächsische Verfahren besser. Da werden die Bauunternehmer sofort von Anfang in die Planung des Projekts mit einbezogen. In Deutschland ist es so, dass derjenige, der den niedrigsten Preis anbietet, das Projekt bekommt. Die fehlenden Gelder werden dann im Nachhinein über Nachträge wieder reingeholt. Und dann kommen immer kleine BER’s zustande, über die sich die Öffentlichkeit zurecht aufregt. Daher sage ich immer: Der Billigste ist nicht auch immer der Preiswerteste.
Wir sind stark im Verband und in der Fachgemeinschaft Bau engagiert und somit auch in der Ausbildung. Das spricht sich rum. Letztes Jahr mussten wir tatsächlich BewerberInnen ablehnen und an andere Unternehmen weitervermitteln. 80 % unserer Rekrutierungen kommt über Empfehlungen. Azubis selber sind natürlich gute Aushängeschilder. Insofern haben wir was die Azubis anbelangt nicht allzu große Sorgen. Danach wird es dann schon schwieriger.
Ich bin ein absoluter Verfechter von Frauen in Bauberufen, aber dennoch ist es so, dass im klassischen Maurerberuf wegen der körperlichen Belastungen eher weniger Frauen arbeiten. Weibliche Arbeitskräfte arbeiten deutlich sauberer und präziser und das ist bei den Maurern nicht so gefragt. Bei den Stuckateuren gibt es schon eher ein paar mehr Frauen. Hier hatten wir auch schon weibliche Azubis. Viele Frauen finden die Arbeit als Maurerin sicher auch einfach nicht attraktiv. Sie sind daher weiterhin die klare Ausnahme auf der Baustelle.
Der Druck zur Digitalisierung ist sehr groß. Bei uns werden mittlerweile 90% aller Angebote, nur noch digital unterbreitet. Nach zwei Stunden hat man dann das Ergebnis der elektronischen Submission vorliegen. Das gleiche gilt für Rechnungsläufe, Aufmaße, usw. Das hat uns natürlich eine ungemeine Arbeitserleichterung gebracht. Denn bei den Ausschreibungsanträgen und ‑beschreibungen kommt man mal locker auf 300 Seiten, die früher jemand per Hand ausgefüllt und dann an den Boten übergeben hat. Der hat das Ganze dann zur Submissionsstelle geliefert. Vor ca 10 bis 15 Jahren war das auch bei uns noch gang und gäbe und jedes Mal ein riesiger Aufwand. Manche machen das immer noch so. Der Prozess ist also noch nicht ganz abgeschlossen. Selbst der Berliner Senat ist erst seit einem Jahr digital unterwegs. In der täglichen Arbeit auf der Baustelle sind digitale Helfer jedoch eher Beiwerk. Unsere Azubis machen ab und an ihre eigenen Projektvideos oder Fotodokumentationen und kommunizieren über WhatsApp. Alles andere muss weiterhin per Hand ausgeführt werden.
Ein aufregendes Projekt war der komplette Umbau des Theaters am Potsdamer Platz. Das wurde vorher ganz anders genutzt, und zwar waren da Ladengeschäfte drin. Wir mussten das Theater also erstmal in das bestehende Gebäude einbauen. Das war schon eine spannende Geschichte.