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„Viele interessante Künstler und Architekten zählen zu unseren Kunden.“
Jan Kerber im Firmeneingang / © BarteltGLASBerlin GmbH & Co. KG
Jan Kerber arbeitet seit 2010 als Glasermeister bei BarteltGLASBerlin. Wir haben ihn zum Betrieb, zu aktuellen Entwicklungen im Glaserhandwerk und zu den Themen Ausbildung und Nachwuchskräftegewinnung befragt.
BarteltGLASBerlin ist ein Familienunternehmen, in dem sehr aufeinander geachtet wird und in dem es vielfältige Möglichkeiten gibt, sich einzubringen. Einerseits gibt es die Produktion, außerdem den Montagebereich und den Metallbau. Weil wir diese drei Bereiche an einem Standpunkt haben, können wir einfacher Probleme lösen, Kundenwünsche erfüllen und flexibel auf Sonderlösungen reagieren. Die Kundennähe spielt bei uns eine große Rolle. Wir leben von dem positiven Feedback unserer Auftraggeber und treten wenig mit Werbung nach außen auf.
Die Vielfalt unserer Zielgruppen macht das Arbeiten bei uns außerdem sehr interessant. Viele interessante Künstler und Architekten zählen zu unseren Kunden. Zum Beispiel arbeiten wir mit dem renommierten Künstler Olafur Eliasson zusammen.
Ich selber komme aus einer Familie bestehend aus Journalisten, Kameraleuten, Ärzten und Ingenieuren. Habe aber in der Oberstufe festgestellt, dass mir andere Dinge wichtiger sind. Erst habe ich das Fachabitur gemacht, bin dann zur Armee, absolvierte anschließend die Ausbildung zum Glaser und erlangte den Meistertitel. Momentan mache ich parallel zur Arbeit den Betriebswirt. Heute weiß ich, dass der geradlinigste Weg nicht immer der richtige ist.
Ich appelliere daher immer an die Eltern: Guckt, was eure Kinder wirklich können. Jeden zu BWL zu überreden bringt nichts. Ich stelle zudem immer wieder fest, dass die Unternehmen solch einen Werdegang wegen der praktischen Erfahrungen schätzen.
Um sieben Uhr versammeln wir uns in der Werkstatt und dann wird die Arbeit verteilt. Die einzelnen Aufträge werden eingehender besprochen. Mal ist dies ein großer Auftrag für alle Kollegen, mal sind mehrere Aufträge auf Teams verteilt. Wir haben ein großes Spektrum an Arbeitsbereichen. Es kann sein, dass man nur eine normale Scheibe austauschen oder mehrere Dachscheiben mit Kraneinsatz wechseln muss, was schon ein bisschen mehr Aufwand bedeutet. Es kann auch eine Großbaustelle mit mehreren Spiegeln zur Montage, der Einbau einer Dusche direkt beim Kunden oder der Ausbau eines Workingspaces mit Abtrennung der Bürokabinen sein. Ein typischer Tag lässt sich daher schwer beschreiben.
Wir haben eine Kollegin im Digitaldruck, eine in der Veredlung und zwei Frauen in der VSG. Also insgesamt sind es nicht allzu viele weibliche MitarbeiterInnen. Es ist eben immer noch verbreitet, dass der Beruf sehr körperlich und die Kollegen rau seien, was gar nicht mehr so ist. Das schwere Heben ist nur noch bis zu einem gewissen Grad verlangt. Bei uns im Haus werden Hebegeräte eingesetzt, um die Kollegen zu entlasten.
Ich persönlich befürworte die Einstellung von weiblichem Personal. Ich habe mich beispielsweise letztens direkt für eine Bewerberin im Innendienst entschieden, um einfach eine andere Dynamik in ein reines Männerteam zu bekommen.
Im Einbaubereich selbst spielt das Thema derzeit noch keine so große Rolle. Dafür aber bei den Hilfsmitteln, wie den Messgeräten oder den Bauakten und Zeichnungsanfertigungen über Tablets.
Im Glasbereich selbst werden heute beispielsweise schaltbare Gläser eingesetzt oder elektronische Verriegelungen in Türen eingebaut, die mit einer Chipkarte funktionieren.
Im Bereich Verdunklung und Verschattung von Gläsern oder bei unserem typischen Produkt, den schaltbaren Gläsern, passiert gerade auch unheimlich viel. Die Trennwand also so zu gestalten, dass sie einmal durchsichtig ist und auf dann auf Knopfdruck opak wird. Das Stichwort lautet hier Smart-Glas. Auch das Schreiben auf Gläsern und somit die Nutzung als Leinwand für Beamer o.ä. steht immer mehr auf dem Plan.
Wir haben im Haus einen Innovationskreis und schauen, dass wir ein Stück weit an den Trends dran bleiben und alles das, was wir selber nicht leisten können, über Kooperationen abzudecken.
Ein Problem ist die hohe Abbrecherquote der Azubis. Die Hälfte der Lehrlinge schafft es nicht bis zum Ende durchzuhalten. Das hat unterschiedliche Gründe. Mal werden die Jugendlichen von ihren Eltern zu einer Lehre überredet und wollen es gar nicht selber. Dann sind die Gehälter in der Ausbildungszeit im Handwerk im Vergleich zur Industrie oder zum Dienstleistungssektor eher gering.
Zudem haben wir im Handwerk leider über die Jahrzehnte einen schlechten Ruf bekommen. Dieses Problem kommt derzeit gerade durch den demografischen Wandel noch mehr zum Tragen. Das Handwerk hat es leider bisher verpasst, sich neu zu positionieren und die eigenen Vorteile herauszustellen.
Eine weitere Herausforderung ist das Thema Digitalisierung, bei dem sich das Handwerk schwer tut. Es muss ein Wandel stattfinden und dazu müssen sich Unternehmer öffnen. Dem jungen Nachwuchs, der frische Ideen mitbringt, sollten neue Wege aufgezeigt werden können. Das wird die Aufgabe für die nächsten Jahre werden.
Erst einmal geben wir allen BewerberInnen eine Chance. Das bedeutet, auch denen, die kein perfektes Zeugnis haben. Denn das Zeugnis spiegelt oft nicht die echten Fähigkeiten wider. Bei uns zählt mehr, ob die Chemie passt.
Wir fördern unsere Lehrlinge dann bei Bedarf und besorgen ihnen zum Beispiel Nachhilfe in verschiedenen Bereichen. Es geht am Ende darum, dass jeder seinen Platz im Unternehmen findet und sein Ehrgeiz oder Wille zur Fertigung eines Produktes geweckt wird. Dann versuchen wir die jungen Leute nach der Ausbildung zu behalten und wollen ihnen auch Aufstiegschancen im Unternehmen bieten. Dafür tun wir eine ganze Menge.
Wir sind gern dazu bereit, Fortbildungen zu bezahlen oder ein Studium zu ermöglichen. Das haben wir schon mit vielen Azubis gemacht.
Sie müssen nicht perfekt sein und nur Einsen auf dem Zeugnis haben. Am wichtigsten ist vielmehr, dass die jungen Menschen Spaß am Handwerk haben und ein Interesse daran, aus einem Rohstoff etwas zu erschaffen. Außerdem muss man sich bewusst sein, dass es schon eine gewisse körperliche Arbeit ist.
Zwei wichtige Eigenschaft, die Lehrlinge darüber hinaus bei uns haben sollten, sind Empathie und Anpassungsvermögen. Man sollte sich gut auf die unterschiedliche Klientel einstellen können – vom Hausmeister bis zum Hausbesitzer in Grunewald unterhalten können. Wenn man also motiviert ist, Spaß an der Sache hat, öfter Einsatz über das Geforderte hinaus zeigt und mitdenkt, hat man heute im Glaserhandwerk viele Chancen etwas zu erreichen.
Firmenporträt BarteltGLASBerlin
Blick in die Produktion / © BarteltGLASBerlin GmbH & Co. KG
Die BarteltGLASBerlin GmbH & Co. KG wurde 1960 von Gerda und Heinz Bartelt in Berlin gegründet. Neben Glasbau, ‑design und veredelung wird Sicherheitsglas in eigenen Produktionsanlagen auf 13.500 Quadratmetern hergestellt. Die BarteltGLASBerlin GmbH & Co. KG zählt heute 120 MitarbeiterInnen. Das Unternehmen bildet in den Bereichen GlaserIn, FlachglasveredlerIn, FlachglastechnologeIn, FachlageristIn, Industriekauffrau/-mann sowie MetallbauerIn aus. 2016 wurde es von der IHK und der HWK als einer der besten Ausbildungsbetriebe in Berlin ausgezeichnet und erhielt das IHK Siegel „Exzellente Ausbildungsqualität“. 90 Prozent der Azubis werden nach der Ausbildung übernommen. Zudem herrscht eine geringe Fluktuationsrate im familiengeführten Unternehmen vor. Im Jahr 2015 wurde zum zweiten Mal innerhalb der Familie ein Generationenwechsel vollzogen und die Geschäftsführung von den Geschwistern Robert Horn und Julia Geburzi-Horn vom Vater Kurt Horn übernommen.